Ein Beitrag von Dr. med. Josef Kirchner
Laut „Statista“ und Bundeskriminalamt waren im Jahr 1991 insgesamt ungefähr 300.000 Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren wegen Straftaten verdächtig. Im Jahr 2022 waren es ungefähr 320.000, wobei in den Jahren zwischen 2000 und 2007 die Zahlen bei 500.000 Jugendlichen lagen. Wie zu vermuten, waren weitaus mehr männliche als weibliche Jugendliche tatverdächtig, bei Gewaltdelikten im Verhältnis 3:1. Wer also behauptet, die Zahlen der Jugendkriminalität würden explodieren, befindet sich im Irrtum. Auch die vielbeschworene Grenzöffnung 2015 hatte keinen sichtbaren statistischen Effekt. Trotzdem erleben wir zur Zeit eine zunehmende Fokussierung auf die Jugendkriminalität, worauf ich heute näher eingehen möchte.
Seit den achtziger Jahren werden immer wieder soziologische Studien veröffentlicht, dass ein inkonsequenter Erziehungsstil der elterlichen Bezugspersonen zu vermehrter Straffälligkeit bei deren Kindern führt. Mit anderen Worten, wenn wir Erwachsenen unsere eigenen Regeln nicht ernst nehmen, werden es unsere Kinder noch weniger tun. Die Konsequenz hieraus müsste also bedeuten, dass wir Erwachsenen die Einhaltung der von uns gesetzten Regeln auch der jungen Generation gegenüber gewaltlos aber konsequent durchsetzen. Leider ist die Realität eine andere.
Wenn Kinder zu Hause Regeln brechen, neigen Erwachsene dazu es zähneknirschend zu ertragen. Lehrer die Konsequenzen bei regelbrechenden Schülern durchsetzen, droht entweder eine Klage des Familienanwalts oder der Besuch bedrohlicher Elternteile im Lehrerzimmer. Also hüten sie sich, dies zu tun. Jugendrichter sprechen Recht, indem sie bei kleineren Straftaten wie Ladendiebstahl, Körperverletzung oder Drogendelikten drohend den Zeigefinger erheben und vor Wiederholung warnen, was von den betroffenen Jugendlichen dann heimlich mit dem Mittelfinger beantwortet wird. Böse gesagt, dürfen wir uns als Gesellschaft nicht beklagen, da wir selbst großen Anteil daran haben, dass unsere Regeln nicht genügend respektiert werden. Nicht gemachte Hausaufgaben sollten Medienverbote nach sich ziehen, Bruch der Schulordnung sollte mit klaren Sanktionen belegt werden und auch kleinere Straftaten von Jugendlichen sollten mit Sozialstunden sanktioniert werden. Beispielsweise beim örtlichen Grünflächenamt, wo der Ladendiebstahl mit Laubfegen und Müllsammeln wieder gut gemacht werden kann. So lange wir uns tatenlos zurücklehnen und nur über die missratene Jugend schimpfen, wird es nicht besser.
Jugendliche müssen lernen, dass Grenzen des Handelns existieren und zu respektieren sind. Das gilt gleichermaßen für Kevin und Chantalle, Max und Emma sowie Mehmet und Ayse.
Wenn ich als junger Mann mich mit 50 anderen auf der Kölner Domplatte verabredet hätte, rote Fahnen zu schwingen und dazu „Ho Ho Ho Chi Minh“ zu rufen, wäre nach 20 Minuten ein Wasserwerfer aufgefahren und hätte im wahrsten Sinne des Wortes die Platte geputzt. Die Silvesternacht 2015 hätte so verhindert werden können.
Bleiben sie nachdenklich!
Ihr Dr. med. Josef Kirchner
Kinder- und jugendpsychiatrische Praxis Rösrath
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