Ein Beitrag von Dr. med. Josef Kirchner
Es scheint zum neuen Volkssport zu werden, seine Freizeit zu verbringen indem man Mitmenschen online so richtig fertig macht. Influenzer zeigen sich im Netz maximal verletzt und gedemütigt, sollten sie Opfer von shitstorms oder systematischen online-mobbing geworden sein. Niemand weiß, wie viele Suizide, Depressionen oder Amokläufe auf das Konto solcher neuzeitlichen Formen der psychischen Verletzung gehen. Wir alle sind uns einig, dass derartige Demütigungen zu ächten sind. Leider hilft das auch nicht weiter. Ich möchte daher meine Sicht auf die Täter zur Diskussion stellen.
Bereits Sigmund Freud, der Großvater der Psychoanalyse, schrieb in seinem Buch „Totem und Tabu“ darüber, dass der Bruch der gesellschaftlichen Konventionen aus Tätersicht ein Mittel der Selbstwerterhöhung sein kann. Wer mit seinen Händen einen Mitmenschen tötet, kann einen Rausch der Macht erleben, der sich gottähnlich anfühlt. Das Massaker an der Colombine High School am 20 April 1999 sorgte für weltweites Entsetzen. Es hieß im Rahmen der weiteren Ermittlungen, die Täter hätten quasi das Videospiel „Doom 3“ im „Gottmodus“ in die Wirklichkeit gebracht. Bei Wikipedia kann man heute eine ganze Reihe von Einzelheiten und Hintergründe finden, die diese Theorie stützen.1
Heutzutage gibt einem das Internet im Schutz der Anonymität die Möglichkeit zumindest psychische Gewalt beliebig auszuleben. Aber bedeutet das nicht im Umkehrschluss, dass Cyber-Mobber armselige Menschen sein müssen, die versuchen ihr kümmerliches Selbstwertgefühl durch Herumtrampeln auf Mitmenschen ein klein wenig aufzublasen? Da könnte ich fast Mitleid mit Cyber-Mobbern bekommen. Macht ist eine starke Droge, die einen beglücken und zerstören kann. Mobbing und psychische Gewalt ist eine der hässlichen Fratzen der Macht. Bleibt mir zum Schluss noch ein Zitat des Meister Yoda aus der Star Wars Saga: „Hüte dich vor der dunklen Seite der Macht!“
Bleiben sie nachdenklich!
Ihr Dr. med. Josef Kirchner
Kinder- und jugendpsychiatrische Praxis Rösrath
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