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Therapie oder gute Pädagogik?

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Kinderseelen in Gefahr: Dringender Handlungsbedarf gegen Teilleistungsstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Mobbing an Schulen!

Wenn ich mich mit meinen Kolleg*innen über unsere Arbeit unterhalte, stelle ich seit einem Jahr fest, dass wir uns durch die Coronafolgen fühlen wie eine Feuerwehr, die in einer riesigen Scheune arbeitet. Überall sind trockene Strohballen aber alle Bewohner*innen der Scheune rauchen, grillen, tragen brennende Pechfackeln und brennen Bengalos ab. Wenn es dann mal wieder brennt, rufen alle „Feuer!“ und wir sollen in 5 Minuten den Brand löschen. Jetzt kann man ja alle 2 Meter einen Feuerwehrenden postieren, aber dann kostet uns die Krankenversicherung bald nicht mehr 15 sondern über 25% unseres Bruttolohnes. Das will auch niemand. Reden wir also über Brandschutz.

Die Hauptbrennpunkte für Schüler sind aus meiner Sicht Teilleistungsstörungen (Legasthenie + Dyskalkulie), Konzentrationsstörungen (ADHS + ADS) sowie Mobbing und Ausgrenzung.

Fangen wir mit den Teilleistungsstörungen an. Cirka 5% der weltweiten Bevölkerung leidet an Lese-Rechtschreibschwäche (Legasthenie) und / oder Rechenschwäche (Dyskalkulie). Diese Diagnosen definieren sich über einen massiven Unterschied zwischen Intelligenz und Teilleistung, haben also nichts mit Dummheit oder Faulheit zu tun. Die Hälfte der Betroffenen wird in ihrem weiteren Lebenslauf depressiv und entwickelt ein erhöhtes Selbstmordrisiko. Teilleistungsstörungen sind also mit einem erhöhten Sterberisiko behaftet und haben Krankheitswert. Nachteilsausgleiche oder Förderunterricht helfen nur wenig und die Schulen sind sowieso schon überlastet.

Da pro Klasse somit 1 bis 2 Kinder eine gezielte Lerntherapie bräuchten, lohnt es sich, in jeder Schule speziell ausgebildete Lerntherapeut*innen zu beschäftigen, damit nicht erst das Kind in den Brunnen fällt und wir Fachärzt*innen eine „drohende seelische Behinderung“ diagnostizieren müssen, damit dann das Jugendamt die Kosten für die Lerntherapie übernimmt. Ich fordere also die Kultusministerien auf, für genügend Lerntherapeut*innen an allen Grund- und weiterführenden Schulen zu sorgen!

Bei Hinweisen auf Konzentrationsschwierigkeiten sollten zunächst die Kinderärzt*innen konsultiert werden. Viele sind sehr gut in der Lage, ADHS oder ADS zu erkennen und angemessen zu behandeln sowie gegebenenfalls eine(n) Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in hinzuzuziehen. Wir würden nur bitten, bei Erfolglosigkeit der Maßnahmen nach spätestens einem Jahr uns Fachärzt*innen zu konsultieren!

Ausgrenzung und Mobbing sind in fast jeder Schulklasse vom 1. bis zum 13. Schuljahr zu finden. Die Lehrer*innen sind meist damit überfordert, sich auch noch darum zu kümmern und so kommt es täglich tausendfach zu entsetzlichen seelischen und körperlichen Verletzungen unter unseren Kindern und Jugendlichen. Den Opfern wird nicht geholfen und die Täter werden nicht frühzeitig in ihrem grausamen Agieren in ihre Schranken gewiesen. Das gipfelte anscheinend vor wenigen Wochen in der grausamen Übertötung eines 13-jährigen Mädchens durch zwei ihrer Mitschülerinnen. Alle drei tun mir von Herzen leid. Das Opfer, weil es so grausam starb und die Täterinnen, weil sie mit ihrer hilflosen Wut allein gelassen waren und keinen anderen Ausweg mehr sahen. Es sollte also an jeder Schule mindestens eine in Gruppentherapie ausgebildete Kinder- und Jugendlichen- Psychotherapeut*in geben, die von allen angesprochen werden kann und frühzeitig durch sinnvolle Intervention die schlimmsten seelischen Verletzungen verhindert!

Leider sehen sich bisher bundesweit die Kultusministerien nicht in der Lage das Problem Mobbing als massives Risiko für Leib und Leben unserer Kinder in den Schulen anzugehen, obwohl ich bereits kurz nach dem Schulamoklauf von Winnenden bei einer dies betreffenden Konferenz im Düsseldorfer Kultusministerium darauf hingewiesen habe, dass die Regel kurz gefasst lautet: „Mobbingopfer von heute sind potentielle Amokläufer von morgen“. Wer will kann den seinerzeit von mir verfassten Artikel auf meiner Homepage in der Leseecke finden. (www.kjp-roesrath.de)

Wer glaubt, Gewaltprävention sei keine Aufgabe von Schulen, sollte sich mal damit befassen, was die Gesetzeslage hierzu sagt.

„Seit Corona explodieren die Zahlen seelischer Erkrankungen bei unseren Kindern und wir brauchen dringend Brandschutz- maßnahmen!“

Bei www.anwalt.org finden wir hierzu: Im Jahr 2000 schob der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung diesem Verhalten einen Riegel vor. Seitdem heißt es in § 1631 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig. Es ist also nun Eltern, aber auch anderen Aufsichtspersonen untersagt, einem Kind eine (seelische) Verletzung zuzufügen. Darüber hinaus ist ggf. der Straftatbestand der Kindesmisshandlung nach § 225 Strafgesetzbuch erfüllt. Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht, 2. seinem Hausstand angehört,
3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4. ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, quält oder roh misshandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.(…)

Es geht hier also nicht darum Lifestyle-Wellness-Aspekte in den Schulen zu installieren, sondern um Herstellung der Rechtskonformität!

Wir Fachärzt*innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie spielen ja seit Jahrzehnten die Feuerwehr, aber seit Corona explodieren die Zahlen seelischer Erkrankungen bei unseren Kindern und wir brauchen dringend Brandschutzmaßnahmen!

Ihr Dr. med. Josef Kirchner

Kinder- und jugend­psychiatrische Praxis Rösrath
Sülztalplatz 1 · 51503 Rösrath · Tel: 02205/5001 · www.kjp-roesrath.de

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